Haushaltsrede 2022

Haushaltsrede 2022 (am 16.12.2021 von Christian Wohlgemuth für die FDP-Fraktion)

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat!

 

Bereits im Verlauf des Jahres hat die FDP-Fraktion versucht, durch Anträge das politische und verwaltungstechnische Handeln zu beeinflussen. Das ist uns an der einen oder anderen Stelle gelungen. In vielen anderen Bereichen aber auch eben nicht. Die Liberalen haben den letzten Haushalt ohne den Stellenplan mitgetragen. Wir sprachen zum damaligen Zeitpunkt von einer Art Vertrauensvorschuss, da der Haushalt 2021 noch durch die Handschrift der vorherigen Bürgermeisterin geprägt war.

 

Ohne Zweifel erkennt man eine Änderung im Handlungsstil durch den neuen Bürgermeister und das ist gut so. Wir möchten vier Dinge nennen, die ausdrücklich positiv hervorgehoben werden sollen:

 

Es wurden Einsparpotentiale gesucht und gefunden:

1.      Gerade im Bereich Gebäudeerhaltung/ Gebäudestrategie möchte sich die Stadt von Gebäuden trennen. Das ist eine hervorragende Idee. Wer sich die Mühe macht und alte Haushaltsreden der FDP durchliest, der wird genau diese Forderung finden. Denn für eine Stadt wirken die Abschreibungen und Reinvestitionen kostenintensiv.

 

2.      Durch verwaltungstechnische und strukturelle Zusammenführungen des Hochbau- und Gebäudemanagements sind Synergieeffekte entstanden. Bravo! Auch dieser Weg muss weiter beschritten werden. Mittelfristig muss sich das dann abschließend auch im Personalschlüssel wiederspiegeln.

 

3.      Die Social-Media-Präsenz wird in Zukunft optimiert und der Kommunikationsschwerpunkt soll sich verschieben. Ich bin gespannt auf die ersten digitalen Sprechstunden. Und vielleicht können ja auch Teile des Fundbüros in eine digitale Dienstleistung übergehen. Das geht in Dülmen bislang immer nur noch mit Termin und Anwesenheit. Andere Städte sind hier weiter.

 

4.      Ein Fördergeldakquirierer soll eingestellt werden. Dass sich die Liberalen konstruktiv und gleichzeitig kritisch mit dem Stellenplan beschäftigen zeigt genau dieser Punkt. Eine solche Stelle ist überaus sinnvoll und nur zu begrüßen. Weiter so. Es ist auch gut, dass es nur noch Nettoneueinstellungen im einstelligen Bereich geben wird.

 

Die Ansätze sind gut, aber es reicht noch nicht.

 

Stellenplan = Problemplan:

Es kann nicht sein, dass die Verwaltung ihren Personalbedarf selbst ermittelt. Auch die GPA sagt, dass die Stadt Dülmen personell gut ausgestattet ist, also mit anderen Worten zu viel hat. Das zeigen Vergleiche mit anderen Kommunen auf. Am Beispiel des Bauhofes hat die FDP erneut versucht, das exemplarisch aufzuzeigen. Seit Jahren wächst diese Einheit unaufhörlich. Gleichzeitig gibt es hier 7 Angestellte die dauerkrank sind, weitere Gebäude und Geräte, die angeschafft werden müssen und auch das zukünftige Personalwachstum ist mit weiteren 7 Personen plus Azubis anvisiert. Im Rahmen von Fluktuation muss es ein Personalreduzierungskonzept geben. Die Verwaltung wächst unaufhörlich und überproportional. Das haben auch die anderen Parteien erkannt und man schaut mit „Bauchweh“ oder „Sorge“ seit Jahren in die Zukunft. Gehandelt wird aber nicht. Warum es in diesem Zusammenhang nicht erlaubt sein soll, auch die Effektivität bzw. die Produktivität von einzelnen Einheiten mal hinterfragen zu dürfen, bleibt ein Geheimnis der anderen Parteien.

 

Demokratierecht = Fragerecht:

Aber dieser Punkt bleibt nicht die einzige Frage, der schwarz-rot-grünen-Ja-Sager-Mehrheit. Eine zentrale Aufgabe der Kommunalpolitik ist es, die Verwaltung zu kontrollieren. Fragestellungen sind eine der einfachsten Formen. Dass diese immer wieder auf Unverständnis treffen, irritiert wiederum die Liberalen. Es soll keiner sagen, der Umgangston im Rat sei toll. Das ist er schon lange nicht mehr. Von respektvollem Umgang kann nicht mehr die Rede sein.

 

Bahnhof = Hoffnung:

Gerade beim Bahnhof hat sich die FDP zum Ziel gesetzt, besonders genau hinzusehen. Leider ist man nicht mehr ganz im Zeitplan, den man in der Vergangenheit schon für sehr ambitioniert gehalten hat. Auch bei den Kosten ist man inzwischen mit mehr als einer Million über den Planungskosten. Hier droht eine reale Gefahr, dass Millionen von Fördergeldern verloren gehen, wenn die Stadt das Bahnhofsprojekt nicht pünktlich fertigstellt! Und dann kommt noch der zweimalig geplatzte Brückeneinhub hinzu.

 

Die Stadt unterstellt dem Bauunternehmer dabei Absicht. Auf die Frage, warum er das tun sollte, kam nur ein „Schulterzucken“. Das war Anlass, mal den Bauunternehmer zu fragen. Diese Informationen waren auch interessant. Interessiert hat das aber Niemand der Schwarz-Rot-Grünen. „Wer arbeitet macht Fehler“ – so ein Sprichwort. Nur mal in der Theorie angenommen, ohne etwas Böses im Hinterkopf zu haben: Könnte es in der Theorie auch möglich sein, dass die Stadtverwaltung vielleicht einen Fehler gemacht hat? Die Frage muss wie immer in einer Demokratie erlaubt sein. Wenn man sich nichts vorzuwerfen hat, dann hätte man jedenfalls nicht so reagieren müssen wie geschehen: Populismusvorwürfe, Unverständnis und Respektlosigkeiten.

 

Königsplatz = Stiefkind:

Während sich der Bahnhof trotz Kritik zum Aushängeschild der Stadt entwickelt und es im April sogar einen VRR-Anschluss gibt, ist der Königsplatz auch weiterhin das Stiefkind. Seit dem Bürgerentscheid zur Verkehrsberuhigung hat sich nicht viel getan. Insbesondere die Begrünung und Belebung hat nicht stattgefunden. Die vor über einem Jahr eingereichte Maßnahmenliste ist aus Sicht der FDP nur unzureichend angegangen worden. Hier besteht dringender Nachholbedarf.

 

Verkehrswende = Sicherheitswende:

Auch in der lokalen Verkehrspolitik entstehen auf dem Papier mehr Velorouten und mehr Tempo 30 Bereiche. Das ist gut. Die Fahrradfahrer aber wieder auf die Straßen zu zwingen, wie an der Borkener Straße oder am Mühlenweg, halte wir nach wie vor für einen Fehler. Die Velorouten müssen auch zeitnah baulich so verändert werden, dass die Radfahrer auch wirklich Vorfahrt und Sicherheit in einem haben. Insbesondere am Lüdinghauser Tor zeigt sich ein Nadelöhr, das dringend einer Reform bedarf. Dieses möchte die FDP schon seit vielen Jahren in einem ganzheitlichen Verkehrskonzept für Dülmen umgesetzt sehen. In Sachen Verkehrskonzept muss man dann auch noch eine Sache als völlig gescheitert bewerten: Das sind die CDU-Favoriten Mitfahrbänke und Bürgerbus. Wann kommt hier die Evaluation?

 

Industriegebiet Nord = Still ruht der See:

Aus den Wünschen, diesen Tagesordnungspunkt dauerhaft im Wirtschaftsförderungsausschuss zu verankern, ist nichts geworden. Ein Fortschritt ist nicht zu erkennen. Wo ist das Problem?

 

Leitantrag = Leidantrag:

In spektakulärer Weise traten CDU und Grüne im Sommer auf, sie hätten nun mit dem Klima-Leitantrag den großen Wurf gemacht. Von einem umfangreichen Beteiligungsprozess der anderen Parteien kann nicht die Rede gewesen sein. Folglich kamen die Inhalte nicht sehr zeitnah auf die Tagesordnung. Abgesehen von der Windenergie handelt es sich dabei um eine Summe von Kleinigkeiten, die keinen großen Beitrag zum Klimaschutz bringen werden. Inhaltlich sinnvolle Ergänzungsvorschläge wie die Solarthermie wurden mit fadenscheinigen Argumenten nicht berücksichtigt. Anstatt die Bürger entscheiden zu lassen, ob sie die Fördergelder für PV oder Thermie bevorzugen, wurden abgelehnt. Stattdessen setzt man in Zukunft auf 300 Megawatt Stromproduktion, ohne zu wissen, wie es eingespeist oder gespeichert soll. In dem Zusammenhang wurden auch die Vorzüge des Wasserstoffs vom Tisch gewischt. Die FDP verweist auf ihr Positionspapier dazu.

 

Campus = Ikarus:

Während der Beteiligungsprozess in Sachen Schulneugestaltungen durchaus lobenswert war, ist das Gesamtkonzept deutlich zu hinterfragen. Auch hier verweist die FDP auf die Detailargumente in ihrem Positionspapier. Für die Stadt und die schwarz-rot-grüne Ratsmehrheit steht allerdings schon fest, der Campus wird kommen – die Frage ist nur noch: „Wo?“. Die Liberalen hoffen, dass aus dem Campusprojekt kein Ikarusprojekt wird, bei dem es eine Bruchlandung geben wird. Während die FDP immer auf die Vorzüge von kleinen Schuleinheiten setzt, wird hier ein riesiges Bauwerk mit bis zu 1000 Schülerinnen und Schülern favorisiert. Den Liberalen ist klar, dass das mittelfristig auch der Ausstieg aus dem Dreigliedrigen Schulsystem bedeuten wird. Die Bürgerbeteiligung mit dem Schwerpunkt der Standortfrage ist nach FDP-Auffassung eine Scheindiskussion, die die generelle Frage nach einem 100 Mio. Euro Investitionsprojekt ausklammert.

 

Beantragt und befürwortet hat die FDP den Neubau der PGS auf freier Fläche. Vorteil: Schulbetrieb und Baubetrieb sind räumlich voneinander getrennt. Eine mehrjährige Interimslösung ist unnötig. Mit diesem prioritär zu behandelnden Projekt sind sämtliche finanziellen Ressourcen ausgeschöpft.

 

Baumeister = Schuldenmeister:

Dass städtische Bauten eine riesige Kostenkette nach sich ziehen, zeigt der städtische Reinvestitionsplan. Die FDP rechnet mit rund 150 Millionen Euro in den nächsten 5-10 Jahren. Kombiniert mit den Campusinvestitionen steht die Stadt vor Sonderausgaben in Höhe von einer Viertelmilliarde Euro! Mit Blick auf die sehr positiv angesetzten Einnahmekalkulationen ist das nicht zu rechtfertigen. Allein die Nettoneuverschuldungen in diesem Jahr bewirken fast die Verdoppelung der städtischen Schulden. Die günstigen Zinsen sind dabei ein Trugschluss. Denn die ins unermessliche steigenden Baukosten fressen diese um ein Vielfaches auf. Gleichzeitig gibt es keine Sondertilgungskonzepte, die einen kurzfristigen Abbau regeln. Laufen die Zinsfestschreibungen irgendwann mal aus, hat man auch hier weitere unkalkulierbare Risiken. Und nicht ganz zu schweigen vom sogenannten „Corona-Giftschrank“. Hier sind Schulden geparkt, die auf die nächsten Jahre verteilt werden sollen und vermutlich in 2023 noch weiter ansteigen werden. Das reguläre Defizit von über 4 Mio. Euro ist da schon fast nicht mehr erwähnenswert.

 

Vor dieser strukturellen Unterfinanzierung und der maßlosen städtischen Schuldenpolitik stellt die CDU dann im Umweltausschuss mündliche Anträge und möchte – unabhängig vom Inhalt – 100.000 Euro weitere Gelder wie aus der Hüfte geschossen, ausgegeben. Auch diese Methode hat System, was wir seit Jahren immer wieder erleben.

 

Abschließend die strukturellen Zahlen der GPA mal durch den kritischen Filter im Schnelldurchlauf:

 

Kaufkraft in Dülmen mit 23000 Euro pro Kopf unterdurchschnittlich; Das Eigenkapital ist in den letzten 10 Jahren um 4 Mio. Euro gesunken; Die Schulden sind in den letzten 10 Jahren um 17 Mio. Euro gestiegen + die 25 Mio. Euro Nettoneuverschuldungen aus diesem Jahr; Neubauten erhöhen die Abschreibungen und Kredite; Die Jahresabschlüsse hängen wieder zeitlich hinterher; Die Digitalisierung der Bauanträge steht noch aus; Das Fallaufkommen der Mitarbeiter im Bauamt ist niedriger als im Durchschnitt; Mit einer Trendwende bei Vergrößerung des Personalaufkommens ist nicht zu rechnen.  

 

Die FDP Dülmen lehnt den Haushalt und Stellenplan 2022 in dieser Form ab.